Klinik Löwenstein: Die Geschichte einer Bronchoskopie
Da stellt man sich hinterher schon die Frage, ob das wirklich hätte sein müssen. Diesen Tag werde ich nämlich so schnell nicht wieder vergessen, er war tatsächlich einer der schlimmsten Tage in meinem bisherigen Leben. Zumindest reiht er sich dort an vorderster Stelle ein. Doch der Reihe nach.
Ankunft in Löwenstein
Ich muss das wirklich gleich zu Beginn betonen: Die Umgangsformen mit den Patienten in der Klinik Löwenstein sind ein Beispiel dafür, wie ich mir es in jeder Klinik wünschen würde. Vor allem die Uniklinik Würzburg könnte sich hier eine dicke Scheibe abschneiden. Alle, wirklich alle, die Bedienung hinter der Theke beim Essen, die Empfangsdame im Foyer, die junge Dame die in der Aufnahme sitzt (1. Stock, Zimmer 135), Schwester Emma von der Aufnahme, die Schwestern auf der Station P4, die Assistenzärzte, die Medizinstudenten, die Krankenschwestern, die Pfleger bis hin zur Putzfrau: Alle sind nett, höflich und zuvorkommend! Ich hatte nicht eine Minute das Gefühl, als würde ich nur Arbeit bedeuten und wäre lästig.
Mir wurde ein drittes Bett in einem Zweibett-Zimmer zugeteilt, obwohl ich zwei Zimmer gesehen habe, die komplett leer waren. Mein Bett, an die Wand geschoben, machte aus dem Zimmer dann auch eine sehr enge Angelegenheit:
Die beiden älteren Herren auf diesen Fotos waren sehr nette, sehr alte russische Opas, die allerdings, und das meine ich wirklich Ernst, fast schon penetrant gläubig waren. Es ist als Atheist kaum zu ertragen, bei jedem zweiten Satz ein Bibelzitat zu hören, von ständigem Gebet umgeben zu sein oder Sätze wie: "Wir sind alle Menschen eines Gottes, es gibt keine zwei oder drei Götter, wir wurden alle von einem Gott gemacht!" zu hören. Ich bat eine der Schwestern, in ein anderes Zimmer verlegt zu werden, doch dies wurde mir höflich, mit dem Hinweis auf Überbelegung, verweigert. So musste ich dies wohl oder übel ertragen und habe das Zimmer nur betreten, wenn es denn wirklich sein musste. Ich habe nichts gegen betende Menschen, aber das war nicht auszuhalten.
Auf zur Bronchoskopie
Ich wartete etwa drei Stunden (ich war auf 7:30 Uhr bestellt), dann wurde ich zur Broncho geschoben. Nach einer kurzen Wartezeit im Flur schob man eine ältere Dame aus dem Raum, die sich beim Doktor bedankte (was mir Mut machte) und dieser antwortete: "Das haben sie sehr gut gemacht!". Hoffnung keimte in mir auf, dass alles gut gehen wird. Ich wurde mit einer übelst schmeckenden Flüssgkeit (das sollte Bananengeschmack sein) mehrfach im Rachen betäubt um dann zu erfahren, dass ich erst in die CT müsse, es lägen keine aktuellen Bilder von mir vor.
Mit dem Bett schob man mich zurück auf Station, wo ich bereits nach kurzer Zeit in die CT geschickt wurde. Nicht einmal eine halbe Stunde später lag ich wieder, mitsamt meinem Bett, auf dem Flur der Bronchoskopie. In den Untersuchungsraum geschoben, wurde mir sofort wieder der Rachen betäubt obwohl der Arzt, der die Untersuchung durchführen sollte, noch gar nicht da war. Dieser kam er nach endlosen 15 Minuten und die Rachenbetäubung begann von vorne. Ich machte noch einmal darauf aufmerksam, dass ich mir eine Sedierung (Betäubung) gewünscht hatte und der Arzt kam dieser Bitte nach. Es wurde ein Zugang gelegt und mir wurde eine Spritze verabreicht, die mich sedieren sollte. Ich betone das Wort: sollte!
Der Horror beginnt!
Ohne abzuwarten, ob mich die Spritze nun sediert hatte oder nicht (hatte sie nämlich nicht), begann der Arzt, dessen Namen ich nicht mal weiß, mit der Bronchoskopie. Ich konnte mich ja nicht mehr bemerkbar machen, so versuchte ich mit den Händen darzustellen, dass ich immer noch hellwach war. Dies wurde entweder nicht bemerkt, oder schlicht übersehen. Die erste Minute war noch zu ertragen, als der Arzt jedoch begann meine Lunge mit Wasser zu spülen, bin ich auf diesem Bett ein zweites Mal in meinem Leben ertrunken. Das war nämlich genau der Grund, warum ich diese Sedierung wollte.
Als 9-Jähriger Junge bin ich im Freibad von Waldshut ertrunken, nachdem mich mein großer Bruder, um mir das Schwimmen beizubringen, einfach ins tiefe Wasser geworfen hatte. Danach drehte er sich um und ging einfach weg. Ich spüre heute noch, wie sich das kalte Wasser in meine Lunge ergoss, wie ich nicht mehr atmen konnte und erinnere mich sehr, sehr genau daran, wie mir dann das Licht ausging. Erst nach Minuten fand mich einer der Gäste leblos in drei Meter Tiefe und alarmierte den Bademeister, der mich nicht nur hoch, sondern auch ins Leben zurückholte (reanimierte). Aus dem Wasser gezogen hatte ich weder Puls noch Atmung und war zuvor mehrere Minuten mausetot am Grund des Beckens gelegen. Dieser Bademeister rettete mir das Leben und meinem Bruder ist damals nichts passiert. Er wurde weder angezeigt noch bekam er irgendeine Strafe.
Als nun der Arzt am 18.09.2012, fast 40 Jahre nach diesem Ereignis, meine Lunge flutete, strömte chlorhaltiges Wasser in meine Lungen und als ich an die Decke schaute, sah ich den Sonnenschein über der Wasseroberfläche. Ich drohte ein zweites Mal zu ertrinken und begann mich heftig zu wehren. Die Schwester drückte meine Hand, während ich würgte, spuckte und krampfte, während ich das Gefühl hatte zu ersticken und diesen Tag nicht zu überleben, während mir die Tränen aus den Augen liefen und den Arzt interessierte das überhaupt nicht. Seine einzige Reaktion war: "Ist gleich vorbei, Herr Höller, nur noch ein paar Minuten!". Ich wurde auch auf das Einspülen des Wassers nicht vorbereitet in der Form "Jetzt Luft anhalten..." oder so ähnlich, sondern es wurde, völlig ohne Rücksicht auf mein Atmen, während des Einatmens das Wasser eingespült.
Diese Minuten, es mögen keine Fünf gewesen sein, nahmen einfach kein Ende. Während ich zwischendurch immer wieder ein paar Atemzüge nehmen konnte und so etwas wie Hoffnung aufkeimte, nun doch nicht zu ertrinken, floss sofort wieder dieses unsägliche kalte Wasser in meine Lunge und mein ganzer Körper wehrte sich dagegen. Ich weinte, ich schluchzte, ich kotzte, ich würgte, das alles ließ den Arzt völlig unbeeindruckt, der nur Augen für den Monitor hatte und sich mit der Schwester über die Bilder unterhielt.
Nach diesen endlosen Minuten und nachdem er noch eine Probe aus meiner Lunge nahm, lies er mich heulend auf diesem Bett zurück, sagte noch den Standardsatz "Das haben sie gut gemacht!" und ging einfach weg. Mir floss das übrige Wasser aus der Lunge, während der Bademeister über mich gebeugt mein Herz massierte und mich dann auf die Seite drehte, um das restliche Wasser abfließen zu lassen. Ich schaute die Schwester an und sagte heulend: "Ich war wach! Voll wach! Warum habt ihr das nicht bemerkt?" Doch ich bekam keine Antwort, sie drehte sich weg. Meinen Weinkrampf hat niemanden interessiert, denn ich weinte immer noch, als man mich, unnötigerweise, in den Aufwachraum schob.
Die Schwester dort zeigte Verständnis für meine Situation, aber was sollte sie auch machen. Ich wartete eigentlich darauf, dass der Arzt vielleicht noch einmal nach mir schauen würde, aber das geschah nicht. Wahrscheinlich war ich einfach nur einer der Patienten, die sich "mal wieder so richtig angestellt haben", während er routiniert zum nächsten Patienten überging. Meine Todesängste, die ich wirklich hatte, hat niemanden interessiert. Ich habe wirklich und ehrlich Panik bekommen, diese Untersuchung nicht zu überleben. Aber woher sollten sie das auch wissen, vielleicht sind Krämpfe, heftiges Wehren und Heulausbrüche während der Bronchoskopie ja an der Tagesordnung.
Die Stunden danach
Obwohl die Sedierung nicht gewirkt hatte, was ich mehrfach betonte (auch beim Stationsarzt), wurde mir die sofortige Heimfahrt verweigert. Ich wollte einfach nur weg, in eine gewohnte, vertraute Umgebung, wollte meine Kinder sehen, meine Frau drücken und einfach spüren, dass ich noch am Leben war. Mein Hals brannte und schmerzte bei jedem Schluck (das macht er heute noch, drei Tage nach der Untersuchung) und ich wollte nicht in diesem Zimmer bei den alten Herren bleiben, deren gesamter Tagesablauf darin bestand in der Bibel zu lesen und sich gegenseitig Gebete aufzusagen. Gegen Abend sagte mir der Stationsarzt, dass meine Befunde und meine Lunge in Ordnung seihen und ich mir keine Sorgen machen bräuchte. Alles wäre Bestens. Ich habe nichts mehr dazu gesagt, was in der Broncho passiert war, denn ich war bereits so weit, dass ich mir dies alles selbst zugeschrieben habe. Woher sollte der Arzt auch wissen, dass ich so ein Erlebnis hatte und so reagieren wurde, wenn ich bemerkte, wie sich meine Lunge mit Wasser füllt? Trotzdem: Die fehlende Sedierung hätte er bemerken müssen, die Spritze hat nicht gewirkt!
Mein Fazit dieses Tages
Ich werde keine Bronchoskopie mehr machen lassen, ohne vorher eine Vollnarkose zu bekommen. Mit Sicherheit! Die Risiken der Narkose nehme ich dabei gerne in Kauf. Ich möchte das einfach nicht nochmal erleben müssen. Das war grausam, in dieser Form unnötig und es wirkt heute immer noch nach. Inzwischen gebe ich auch keinem mehr die Schuld, bis auf die nicht wirkende Spritze. Auch das war unnötig, hätte der Arzt nicht warten können ob diese überhaupt wirkt? Ich weiß es nicht.
Als ich schon am Gehen war, fragte mich die Oberschwester der Station nach der Bronchoskopie. Hatte sie davon gehört, dass ich damit Probleme hatte? Mir kam ihr Interesse ehrlich vor und ich sagte ihr die Wahrheit: "Das war einer der schlimmsten Tage in meinem bisherigen Leben und ich werde eine solche Untersuchung nie wieder bei vollem Bewusstsein machen!" Ich erzählte ihr von meinem Erlebnis als kleiner Junge und sie meinte, sie habe selbst schon manchmal gehört, dass diese Untersuchung sehr unangenehm sei.
Werde ich nochmal in diese Klinik gehen? Ja, mit Sicherheit werde ich das, wenn das nötig werden sollte. Im Großen und Ganzen habe ich mich dort aufgehoben und sehr wohl gefühlt, was der Freundlichkeit aller dort arbeitenden Personen zuzuschreiben ist. Ich werde nur auf eine Vollnarkose bestehen.
Zum Abschluss ein Satz zum Essen: Das war recht lecker!
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